Lampenfieber. Viele Menschen kennen dieses Gefühl. Ich auch. Es ist März 2000, früher Nachmittag. Am Abend ist Premiere – ein Ein-Personen-Stück in Bern, und die eine Person, das bin ja, Hilfe, ich. Da ist ziemlich klar, wer für den Erfolg oder Misserfolg des Abends verantwortlich ist.
Ich sitze an der Aare. Sie liegt da, glitzernd blau, verlockend. Wie gerne würde ich mich einfach hineinstürzen und wegtreiben lassen. Was hat mich eigentlich bewogen, diesen Beruf zu wählen? Bin ich wirklich gut genug? Wäre es nicht sinnvoller, mein Leben zu beenden, jedenfalls das als Schauspielerin, in die Aare zu steigen, flussabwärts wieder aufzutauchen und ein neues Leben zu beginnen, vielleicht als Besitzerin eines kleinen Yoga-Retreats in Portugal. Barfuß. Ich heiße dann „Rika“. Meine Stimme ist weich wie Hafermilchschaum…
Aber nutzt ja nix – der Vorhang wird am Abend um 19:30 Uhr hochgehen.
Was sage ich Menschen mit Lampenfieber, die zu mir ins Coaching kommen? Ganz wichtig: Schon vorher in die Situation gehen. Nicht oberflächlich. Sondern ganz genau: Da sitzen sie – alle gucken mich an. Was will ich sagen? Was befürchte ich?
Sich all diesen Gefühlen und Empfindungen wirklich stellen – und nicht, wie wir es sonst oft machen, das Lampenfieber wegdrücken. Wer sich diesen Gefühlen stellt, nimmt ihnen die Macht. Keine aufmunternden Sprüche wie: „Ach, das hat ja schon mal geklappt.“ oder „So schlimm wird’s schon nicht werden.“ Denn dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass uns das Lampenfieber kurz vor dem Auftritt überrollt.
Besser: Ich gehe in die Situation, stelle sie mir vor – und gucke ich mich von außen an, so als ob ich mich in einem Film sehe. Wie ich sicher und ruhig die Bühne betrete. Kontakt mit dem Publikum aufnehme und mich mit meinem Text verbinde.
Und wenn mich kurz vorher doch Panik befällt: Mich strecken – dabei ausatmen. Das beruhigt das Nervensystem. Das aktiviert den Vagusnerv – unser körpereigenes Beruhigungssystem. Man nennt ihn auch den „Ruhe-Nerv“ oder „Selbstberuhigungsnerv“. Er verläuft vom Hirnstamm durch den Hals, in den Brustraum und weiter bis in den Bauch – und sorgt dafür, dass der Körper in den Modus „Sicherheit“ schaltet: Der Herzschlag sinkt, die Atmung vertieft sich, innere Ruhe wird möglich. Übrigens ist auch ein Gähnen gut, um ihn zu aktivieren.
In der Schweiz bin ich joggen gegangen – dabei habe ich meinen Text laut gesprochen. So kommt der Text in den Körper, und gleichzeitig komme ich in einen kraftvollen Zustand.
Die Premiere war ein großer Erfolg. Gerne berate ich Sie zu Ihren großen Reden, Ihren wirkungsvollen Auftritten, Ihren wegweisenden offsite-Statements, Friederike Freifrau von Mirbach